Mutterschaft und Einsamkeit

Die Einsamkeit der Glücksschmiede

Diesen Sommer ist mir etwas passiert, dass ich schon länger nicht mehr erlebt habe.

Ich hatte keine Lust mehr, zurückzukommen.

So wie ich mich früher nach den Sommerferien vor dem Schulstart gegruselt habe, hatte ich keine Lust mehr, Blogartikel zu schreiben oder Podcasts aufzunehmen. Und in beiden Fällen gibt es einen gemeinsamen Grund: Beziehungslosigkeit.

Keine Sorge, am Ende dieses Textes gibt es einen hoffnungsvollen Ausblick. Aber zuerst will ich die Dinge beim Namen nennen – auch die, die schwer zu tragen sind.

Ich weiß nicht, wie oft ich in diesem Jahr vor einem leeren Bildschirm saß, weil Leute ein Kennenlerngespräch gebucht hatten und dann nicht aufgetaucht sind. 

Wie oft ich das Gefühl hatte, dass Menschen meine Inhalte und Angebote für selbstverständlich nehmen, abgrasen und weitergehen – während ich hier meine Lebenszeit investiere. Zeit, die ich nicht mit meinen Kindern verbringe. Zeit, für die ich meist kein Geld bekomme, von dem ich unsere Miete oder unser Essen bezahlen könnte. 

Dazu kam eine Flut widerlicher Hassnachrichten, weil ich mich von rechtspopulistischen Positionen distanziert habe. 

Eine Bestätigung, dass ich mit meiner Einschätzung ziemlich richtig lag. Aber schön ist was anderes.

Falls du zu den Menschen gehörst, die mir weiterhin bezaubernde und bestärkende Rückmeldungen schicken, danke ich dir von Herzen. Auch das kommt an. Aber insgesamt wird der Ton kälter, rauer – ignoranter. Und was mir zunehmend fehlt, ist wertschätzende Resonanz. 

Resonanzlosigkeit tötet Freude. 

Und mir stellt sich die Frage, ob ich meine Lebenszeit nicht mit schöneren Dingen verbringe. Öfter Freunde besuche. In den Wald gehe. Meinen Sohn zu Bandproben und Konzerten begleite. Mir einen Job suche, bei dem ich mehr menschlichen Kontakt habe.

Falls du dich davon gerade unangenehm berührt fühlst: Ich meine nicht, dass du ein schlechter Mensch bist, wenn du meine Texte liest, ohne sie zu kommentieren. Das mache ich auch oft. Bei den 1000 Nachrichten und Inhalten, die täglich auf uns einprasseln, ist es schlicht unmöglich, auf alles zu reagieren. 

Und ich glaube, mein Frust ist kein persönliches Problem: Viele meiner Online-Kolleginnen sind erschöpft und enttäuscht davon, dass ein Großteil ihrer Arbeit resonanzlos verhallt.

Dahinter liegt allgemeine Überforderung und Einsamkeit – auf beiden Seiten.

Es beginnt damit, dass wir alle ein KI in der Tasche haben, die unbegrenzt verfügbar und niemals müde ist. Ich nutze sie auch und in vielen Bereichen kann sie sehr hilfreich sein. Aber sie birgt eine Gefahr:

KI gaukelt uns menschliche Begegnung vor. Doch sie kann nicht mitfühlen, wie ein Mensch es tut.

Das Gleiche gilt für die 500 Reels, die täglich vorbeirauschen und kurze Explosionen in unserem Hirn hinterlassen, ohne echte Verbindung herzustellen. Und während ich Texte schreibe, stelle ich mir zwar vor, dass ich zu dir spreche – aber ich kann dich nicht sehen. Nicht in deiner ganzen Einzigartigkeit und Menschlichkeit. 

Wir brauchen menschliche Resonanz, um zu leben. Um uns wirklich gehört und gesehen zu fühlen – und zu erfahren, dass wir einen Platz in dieser Welt haben. 

Ohne diese Verbundenheit werden wir krank

Weil unser ganzes System auf das Zusammenspiel mit anderen Menschen ausgerichtet ist. Und hier kommen wir an einen gesellschaftlichen Fehlschluss, der viel weiter zurückliegt, als die Entwicklung von Smartphones: 

Der Glaube daran, dass „jeder seines Glückes Schmied“ sei.

Die Idee, dass wir unser Schicksal ganz aus eigener Kraft regeln können (wenn wir nur wollen!), beginnt schon in der Schule.

Auf den ersten Blick wird Schule immer als Gemeinschafts-Projekt verstanden. Kinder sollen hier soziale Kompetenzen lernen, auf Andersdenkende treffen und in Gruppen zurecht kommen.

Aber worum geht es in vielen Schulen eigentlich? Wovon werden zu viele junge Menschen in diesem System angetrieben? Von der Angst, am Ende zu den Schlechteren zu gehören. Auf dem Pausenhof gemobbt zu werden. Später keinen Job zu kriegen. Nicht dazu zu gehören. 

Und was wird ihnen ständig erzählt? Dass sie all das verhindern können, indem sie sich nur genug anstrengen. Und zwar allein – denn Abschreiben ist ja verboten. 

Wir lernen, uns an den anderen zu messen. Was uns dabei fehlt, ist mit den anderen zu SEIN. 

Wir wollen Recht haben, aber können einander nicht mehr zuhören. Wir suchen Belohnung und Bewunderung – aber was uns eigentlich fehlt, ist etwas, dass wir nicht erarbeiten können. 

Resonanz entsteht, wenn die Umstände stimmen. Wenn wir Zeit miteinander haben. Wenn es Räume der Verbundenheit gibt, in denen wir nicht mehr kämpfen müssen. 

Die Fokussierung auf unsere eigene Kraft hilft, uns weniger ohnmächtig zu fühlen. „Ich schaff das, komme was wolle.“

Aber leider ist sie nur deshalb nötig, weil uns eine gesunde Umgebung fehlt. Eine Umgebung, in der wir aufgehoben und wertvoll sind – auch, wenn wir nicht ständig in Höchstform tolle Leistungen abliefern.

Und das macht keinen Halt vor Selbstverwirklichungs-Versprechen (an die ich übrigens auch lange geglaubt habe). Im Grunde ist es das gleiche neoliberale Märchen, das sich überall gut verkaufen lässt:

„Du kannst alles schaffen – wenn du nur fest daran glaubst und hart genug daran arbeitest.“

Das kommt häufig aus dem Mund von Menschen, die neben ihrer harten Arbeit viel Glück hatten – und das gerne vergessen. 

Nehmen wir die typische Tellerwäscher-zum-Millionär-Geschichte: Wieviele Tellerwäscher*innen gibt es, die unfassbar hart arbeiten – und trotzdem arm sterben?

Wieviele Eltern gibt es, die glauben, sie müssten noch mehr Bücher lesen und ihre Atemtechnik verfeinern, damit ihr Kind sich morgens schneller anzieht?

Und wieviele Menschen gibt es, die glauben, sie müssten nur noch ein bisschen regelmäßiger meditieren und noch ein bisschen gesünder essen, um ausgeglichener zu werden? 

Mit Meditation, Atemtechnik und gesundem Essen ist sicher nichts falsch. Falsch ist die Vorstellung, dass wir Glück „alleine und aus uns heraus“ erschaffen könnten. 

Menschen brauchen Begegnungen, in denen sie gehört und gesehen werden. Ohne am nächsten Ziel zu arbeiten. Das ist ein Grundbaustein von Glück.

Wenn wir durch eine enge Schlucht getrieben werden – so fühlt sich das Schul- und Gesellschaftssystem für viele gerade an – dann hilft es wenig, wenn von der nächsten Bergspitze jemand runter ruft: „Mach’s halt wie ich und komm nach oben, die Aussicht ist toll!“

Wie wäre es, wenn dieser Mensch mal runter kommt, eine Weile an deiner Seite läuft und dir deinen schweren Rucksack abnimmt?

Meine Erfahrung ist: Menschen hungern nach echter Begegnung und Wertschätzung. Nicht nach Tipps und Tricks, die sie wieder alleine abarbeiten sollen. Dafür haben wir jetzt schließlich ChatGPT. 

Und jetzt komme ich zum hoffnungsvollen Teil: Wir sind alle noch da.

Mein Text war bis hierher ziemlich dystopisch. Und so fühlt sich die Welt für viele gerade an. Aber was ich in den letzten Monaten auch gemerkt habe: Wir Menschen haben unsere Wärme nicht verloren. Es gibt noch immer so viele Möglichkeiten, Resonanz und Verbundenheit zu erfahren.

Alles, was es braucht, ist: Diesen Momenten ihren Wert zurückzugeben.

Und das ist etwas, was wir tatsächlich selbst tun müssen. Nicht alleine, sondern zu zweit, zu fünft, zu zehnt. Als Familie, Musikgruppe, Nachbarschaft.

Wir geben dem Herbstspaziergang Vorrang vor Hausaufgaben. Wir lassen unsere Kinder spielen, weil leuchtende Augen uns wichtiger sind als Zeugnisnoten. Wir wissen, dass das entspannte, wohlige Gefühl beim Kaffee mit Freunden wahrer Reichtum und Lebensqualität sind – und keine Faulheit.

Während Politik und Wirtschaft gerade alle Register ziehen, um resonanzfeindliche Strukturen aufrechtzuhalten, können wir mit Menschlichkeit dagegen halten.

Und ja, für Menschen, die sich einen Raum wünschen, in dem sie nicht nur „abgearbeitet und durchgeschleust“ werden, biete ich auch weiterhin persönliche Begleitung an.

Denn ich liebe es, Menschen wirklich zu begegnen. Und ich bin sicher: Diese Art der Begleitung ist nötiger denn je. Sie ist wertvoller denn je. Und sie lässt sich durch kein Selbstlernprogramm ersetzen.


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