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Manchmal frage ich mich, wieviel mehr Ideen ich schon verwirklicht hätte, wenn da nicht immer die Angst davor wäre, naiv zu sein. Nicht alles bedacht zu haben. Einen schrecklichen Fehler zu machen. Kennst du das?

Ich habe viele Jahre damit verbracht, Ideen wegzuschieben, herunterzuschlucken, bis zum Umfallen zu Grübeln und immer wieder zu dem Schluss zu kommen: Das könnte schief gehen, lass die Finger davon. Ich war zum Platzen gefüllt mit ungelebten Träumen, die endlich raus wollten.  

Dann traf ich mit meinen Liebsten eine Entscheidung, die alles veränderte. Wir verkauften und verschenkten nahezu unseren gesamten Besitz und brachen auf in ein ungewisses Reiseleben, inspiriert durch eine Handvoll backpackender, weltreisender Familien, die uns glücklich erschienen. 

„Habt ihr das auch gut überlegt?“ war die Frage, die mich von allen Seiten prüfte.

Nein, wir hatten nicht viel überlegt. Wir hatten aus dem Herzen entschieden. Aus Sehnsucht, Neugierde – und aus bitterer Not (mehr dazu hier). Darüber nachgedacht, was alles passieren könnte, hatten wir wenig.

Wir hatten Ersparnisse und deutsche Reisepässe, damit gehörten wir zu den privilegiertesten Menschen auf diesem Planeten. Aber konnte ich sicher sein, dass keine Schwierigkeiten auftreten würden? Nein. Konnte ich sicher sein, dass wir uns auf Dauerreise wohlfühlen würden? Nein. 

Dann passierte es: Wir waren nicht glücklich ohne ein festes Zuhause, fühlten uns verloren ohne Anker in dieser Welt. 

Uh, das war schwer auszuhalten – hatten wir doch unser Zuhause gerade hinter uns gelassen und hingen irgendwo zwischen Heimweh und dem Traum vom selbstbestimmten Leben. Der Schmerz kam in Wellen, über Wochen und Monate. When you lose something you can’t replace – es war eindeutig mehr als nur kurz doof.

Aber mit der Zeit merkten wir, dass wir den Plan für uns ändern konnten, ohne unseren Traum aufzugeben. Wir lernten uns besser kennen und spürten, was wir brauchten: Einen vertrauen Ort, sichere Freundschaften und die Freiheit, von dort aus zu reisen und neues zu entdecken, wann immer wir wollen. Wir richteten unsere Energie darauf, diesen Ort zu finden, und mit jedem kleinen Schritt dorthin wuchs auch die Freude in uns wieder. 

Was sich erst nach Versagen anfühlte, war eine wertvolle Erfahrung, die uns näher zu dem brachte, was wir wirklich wollten. Wären wir nicht losgegangen, hätten wir sie nie gemacht. 

Die Erkenntnis, dass unsere Träume noch leuchten, auch wenn wir schwere Erfahrungen machen, dass sie noch genauso lebenswert sind, wenn wir uns umentscheiden, hat mich von einer großen Last befreit.

Damit du mich nicht falsch verstehst: Durchhalten und nicht aufgeben, wenn wir für unseren Traum gehen – das brauchen wir. Mehr denn je in einer Welt, die uns an allen Ecken und Enden ablenkt.

Aber wir können uns vieles leichter machen, wenn wir uns nicht mit jeder Idee dazu verdammen würden, den vorher festgelegten Plan bis zum bitteren Ende durchzuziehen. Den anderen beweisen zu müssen, dass es geklappt hat (und zwar ohne Hilfe).

Immer alles wissen, immer alles richtig machen – das kann kein Mensch. Trotzdem verstecken wir mit zitternden Herzen all die goldenen Momente, in denen wir merken, dass wir irgendwo falsch abgebogen sind und ein Richtungswechsel uns gut tun würde.  

Wir verlieren uns in Rechtfertigungen und Erklärungen, halten an alten Plänen fest, wollen alles perfekt machen und kämpfen mit jeder Faser darum, bloß nicht zu scheitern. Und bevor ich jetzt mit German Angst anfange, versichere ich dir:

Ich sitze im selben Boot. Jedes Mal, wenn ich mit meinen Kindern ein Lebkuchenhaus zusammenklebe, muss ich mich kurz daran erinnern, dass es nicht um Leben und Tod geht. 

Das hat nichts mit verklemmt und spießig sein zu tun – hinter der Angst vor Fehlern steht eine tiefe Scham. „Du darfst nichts falsch machen“ wird uns mit Worten und Taten vermittelt, sobald wir in dieses Leben purzeln.

Viele kennen den Schmerz, vor der Klasse zu stehen und wegen der 5 in Mathe ausgelacht zu werden (oder wegen der 1 ausgelacht zu werden, weil die 5 grad cooler ist). Ein Studium abzubrechen und den Prophezeiungen stand zu halten, dass dein Leben von jetzt an bergab gehen wird. Dein Kind anzuschreien und danach in dein Kopfkissen zu weinen, weil du dich nicht rechtzeitig selbst regulieren konntest.

Fehler zu machen und zu scheitern scheint das das Schlimmste, was uns passieren kann, und oft steht nicht weniger auf dem Spiel als unsere Menschenwürde. 

Aber wovor genau haben wir eigentlich Angst? 

Ich hatte lange Angst davor, dass andere einen schadenfrohen Blick auf mein Leben werfen und sich versichern würden, dass ihr Weg der bessere ist. Dass ich nicht mehr dazugehören würde, ausgeschlossen, ausgelacht, wertlos für diese Welt.

So geht es vielen und leider hat diese Angst handfeste, schmerzhafte Ursachen. „Die anderen sind doch egal“ ist leicht gesagt – und trotzdem Blödsinn, weil wir ohne die anderen nicht leben können.

Allerdings hat es immer Menschen gegeben, für die ich wertvoll war, genau wie sie für mich. Menschen, die nicht gelacht haben – also schon (zum Glück), aber nicht über meine Fehler. Das sind genau die, die du und ich zum Leben brauchen.

Vielleicht kennst du auch die Vorstellung: Wenn ich scheitere, dann ist alles verloren. Verschwunden in einem tiefen schwarzen Loch. 

Als wenn es dann keine Möglichkeit gäbe, je wieder einen Funken Licht zu sehen. Und ja, du kannst immer etwas verlieren. Geld zum Beispiel, Freundschaften oder Jobs, sogar deine Heimat. Und das kann furchtbar weh tun.

Aber es ist nie alles verloren. Nicht deine Werte, nicht deine Träume, nicht dein schlagendes Herz. Solange du all das hast, kannst du immer neue Funken entzünden, kannst du dich immer wieder auf den Weg machen.

Selbst wenn du irgendwann nicht mehr da bist, werden all die glitzernden Steinchen, die du ins Wasser geworfen hast, weiter ihre Kreise ziehen. Vielleicht schnürt sich dein Magen zu, wenn du an den eigenen Tod denkst, das geht mir ähnlich. Gleichzeitig macht es mich glücklich, dass ich in diesem Leben wenigstens ein paar meiner bunten Träume habe fliegen lassen – unperfekt und ausbaufähig, wie sie sind.    

Etwas neues auszuprobieren macht dich nicht wertlos. Es ist ein großes Geschenk für diese Welt, denn du machst den anderen Mut, es auch zu probieren. 

Lasst uns unser Durchhaltevermögen ruhig behalten – und gleichzeitig die Furcht vor krummen Wegen über Bord schmeißen. Lasst uns auch nicht so tun, als wäre alles nur sunshine and roses, sobald wir die Komfortzone verlassen. Es gibt weiterhin Menschen und Orte, die ich schrecklich vermisse. Das gehört gerade zu meinem Leben, genauso wie das Glück und die Freiheit.

Lasst uns aufhören, die Wege der anderen zu verurteilen und uns stattdessen gemeinsam auf den Weg machen. Lasst uns mit all unserer Unwissenheit rausgehen. Hey, schaut mal, ich hab einen Fehler gemacht! Fühlt sich kacke an. Und jetzt? Lass ich mein Herz weiter leuchten und den Weg erkunden, der noch vor mir liegt. Ich hoffe, ich treffe dort noch viele andere leuchtende Herzen, die sich manchmal verlaufen. Zusammen können wir sowieso die schönsten Orte finden. 

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