Mitte November ist die Zeit, in der wir den nahenden Winter so richtig spüren. Halloween ist vorbei, Weihnachten noch nicht angekommen. Dunkelheit legt sich über das Land. Kaum ist die Sonne aufgegangen, verabschiedet sie sich schon wieder. Und ohne Mütze mag ich nicht mehr vor’s Haus. 

Dazu gesellen sich in Irland of dicke, dichte Nebenschwaden. Autofahren wird dann noch abenteuerlicher, als es hier sowieso schon ist. Und unser Spezial-Bonus: Die Heizung unseres Miethauses ist so alt, dass wir immer einen Vorrat Feuerholz neben dem Kamin stapeln, damit im Notfall zumindest das Wohnzimmer warm wird. 

Trotzdem liebe ich diese Jahreszeit. 

Denn außer der modernen Heizung fehlen auch andere Dinge – und zwar solche, die wir nicht vermissen. Frühes Aufstehen zum Beispiel. Niemand muss sich um 6 Uhr aus dem Bett quälen, wenn alles von Dunkelheit und Kälte eingehüllt ist. Auch nicht mein Mann, der selbstständig arbeitet und erst um halb 10 beginnt.

Stattdessen bleiben wir in unsere warmen Decken gehüllt und schlummern in die späte Morgendämmerung hinein. 

Ich liebe es, morgens meinen halbwachen Kindern übers Gesicht zu streicheln und sie nochmal fest einzukuscheln, bevor ich die Fenster öffne und frische Herbstluft ins Haus lasse. Sie haben Zeit, in Ruhe aufzuwachen und im Tag anzukommen. Bis sie ganz da sind, bin ich von meinem Morgenspaziergang zurück, hab durch den Nebel die Morgensonne und die grasenden Kühe begrüßt und das Haus aufgewärmt (meist funktioniert die Heizung ja).

Beim Frühstück muss niemand hetzen oder hinunterwürgen, um rechtzeitig fertig zu sein. Stattdessen erzählen wir uns von unseren Träumen der letzten Nacht. 

Während ihre beschulten Freund*innen schon in Klassenräumen auf die Prüfungszeit vorbereitet werden, kuscheln sich meine Kinder im Pyjama auf’s Sofa. Sie beobachten die Rotkehlchen und Buchfinken an der selbstgebauten Futterstation im Garten, lesen sich gegenseitig ihre abenteuerlichen Lieblingsbücher vor oder suchen nach neuen Rezepten für weltbeste Weihnachtskekse. 

Und sie basteln.

Ich hätte nie gedacht, zu welchen handwerklichen und künstlerischen Produktionen ein 8- und ein 12jähriger allein mithilfe von Bastelbüchern, Youtube-Tutorials und ihrer reinen Vorstellungskraft fähig sind. Und wie groß ihre Begeisterung und Beharrlichkeit dabei ist. 

Während viele Eltern sich darum sorgen, dass ihre Kinder auch mal was Kreatives machen, sorge ich mich darum, dass sie vorher noch frühstücken und vor lauter Schaffenskraft nicht vergessen, irgendwann den Pyjama in wintertaugliche Draußenkleidung zu tauschen. 

Ach ja, und wo wir all die wunderschönen gefalteten, geschnitzten und genähten Tannenbäume, Zwerge, Drachen, Sterne, Schwerter und Zauberstäbe dann hinstellen. Manchmal fühle ich mich wie in einer vor Geschäftigkeit brummenden Wichtelwerkstatt, aus der die Kreativität nur so heraussprudelt. Ohne Aufforderung. Ohne Bewertung. 

Der einzige Grund für all das ist reine Freude am Gestalten und Erschaffen.

Und weil die Jungs mich dafür schon lange nicht mehr brauchen und Basteln so gar nicht meine Leidenschaft ist, ziehe ich mich einfach in meine Dachkammer zurück, schreibe Blogartikel, nehme Podcasts auf oder mache Onlinebegleitungen. So können wir alle tun, was wir lieben.

Wenn wir Lust dazu haben, dann wandern wir durch den spätherbstlichen Nebelwald, lassen das bunte Laub um unsere Füße rascheln und erinnern uns daran, wie das mit der Fotosynthese und dem abgebauten Chlorophyll funktioniert. Und wenn wir es nicht mehr genau wissen, dann schauen wir auf dem Rückweg im Auto eben nach. Wozu haben wir unsere Handys. 

Wenn wir abends nachhause kommen, muss niemand auf den letzten Drücker Hausaufgaben machen und Schulranzen packen – oder Fotosynthese auswendig lernen (um es dann nach der Prüfung wieder zu vergessen).

Stattdessen machen wir uns ein Feuer, knabbern Nüsse und Schokolade, spielen Spiele oder schauen Filme. Am liebsten die mit Drachen, Zauberwelten und Piratenschiffen.

Wenn wir das Bedürfnis nach Gesellschaft haben, besuchen wir Freunde, die ein ähnlich gemütliches Leben führen. Zum Plaudern, Teetrinken, Spielen – und manchmal auch, um uns gemeinsam an den Stress zu erinnern, den wir glücklicherweise nicht mehr haben. 

Außerdem treffen wir unsere Musikgruppen zu Proben und kleinen Konzerten. Und inzwischen geben die Jungs eigene Bastelworkshops. Weil es so schön ist, die Freude mit anderen zu teilen. 

Wir haben es wirklich ruhig und gemütlich, aber einsam sind wir nicht.

Wir sind deutlich seltener krank als früher. Und wenn wir es sind, dann machen wir es uns einfach noch gemütlicher. Krank sein ist viel weniger schlimm, wenn wir keinen Termindruck haben.

Zugegeben, das klingt jetzt alles schon fast kitschig. Aber während ich es aufschreibe, merke ich, dass eine Welle von echter Dankbarkeit aus mir heraus will. Natürlich habe ich auch im irischen Herbst manchmal Stress und bin nicht 24/7 so tiefenentspannt, wie die Worte es scheinen lassen, die da gerade aus mir herausgesprudelt sind.

Aber manchmal tut mir ein Überschwang an Dankbarkeit auch richtig gut. Und was den Kitsch angeht: In vielen Momenten ist es tatsächlich so schön, wie ich es beschreibe. Dann erinnere ich mich, warum wir Deutschland verlassen haben und unseren eigenen Weg gegangen sind. 

Winter ist nicht die Zeit, sich durch harte Programme zu pushen. (Falls es  je eine richtige Zeit für so etwas gibt.) Winter ist die Zeit zum Einkuscheln und Träumen.

Und das können wir hier in Irland so richtig genießen. 

Wenn du dich auf deinem Weg von mir begleiten lassen möchtest, kannst du verschiedenes tun – je nachdem, wie viel und wie enge Begleitung du dir wünschst:

  • Abonniere meinen Podcast Stark und Verletzlich.
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  • Schreib mir eine kurze (oder auch längere) Email an info@sajuno.de und ich schicke dir den Anmeldelink für ein kostenfreies Kennenlerngespräch. Dort besprechen wir gemeinsam, in welchem Rahmen ich dich persönlich begleiten kann. Ich freu mich auf dich!

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