Im letzten Artikel habe ich beschrieben, warum die Sorge vieler Eltern vor dem Schulbeginn normal ist – und weshalb ich es wichtig finde, diesem Unwohlsein Raum und Verständnis zu geben. 

Eine entscheidende Frage habe ich damit aber noch nicht beantwortet: Wenn ich mich selbst mit Schule unwohl fühle – wie spreche ich mit meinem Kind darüber?

Meine erste klare Antwort ist: Bleib du selbst. Und bleib in Beziehung. 

Die Schwierigkeit liegt vermutlich darin, dass du zwischen verschiedenen Anforderungen und Bedürfnissen hin- und hergerissen bist.

Ok, du gibst dir die Erlaubnis, Schule unangenehm zu finden. Das kann entlastend sein. Aber dein Kind muss trotzdem dort hingehen – zumindest, wenn ihr in Deutschland bleibt.  (Zum Auswandern und Freilernen schreibe ich später mehr.) 

Und gleichzeitig willst du dein Kind während seiner Schulzeit gut begleiten und bestärken. Du willst ihm keine Angst vor der Schule machen.

Dass du mit diesem Problem nicht alleine bist, siehst du an den tausend Online-Tipps zum Thema: „Wie motiviere ich mein Kind für die Schule?“

Was mir an solchen Ratschlägen meist auffällt: Das Erleben der Eltern rückt stark in den Hintergrund. Eltern sollen als Motivations-Coaches auftreten. Klar, natürlich die Sorgen der Kinder ernst nehmen. Aber gleichzeitig Sicherheit geben, viel positive Energie versprühen – und Schule grundsätzlich gut finden. 

Nun habe ich aber im letzten Artikel schon beschrieben, dass Schule selbst oft wenig Sicherheit und „positive Energie“ gibt

Viele Eltern haben belastende Erinnerungen an ihre Schulzeit. Einige erleben Einschulungsuntersuchungen oder Lernstandsgespräche als unangenehm und bedrückend. 

Das alles wegzuschieben und dem Kind etwas anderes vorzuspielen, hat mindestens drei entscheidende Nachteile: Es funktioniert kaum, es ist ungesund und es beschädigt die Beziehung zwischen Eltern und Kindern. 

Junge Menschen spüren, wenn ihre Eltern unter Druck sind. Sie merken, wenn das Gesagte nicht zum Gefühl passt. Wenn Eltern sagen „Schule macht doch Spaß“, während ihr Nervensystem Alarm gibt: „Das macht mir Angst, ich will hier weg!“ 

Diese widersprüchlichen Signale heißen double binds. Sie verwirren und verunsichern ein Kind in seiner Beziehung zu den Eltern. 

Und bevor du dich jetzt als Mutter oder Vater gleich wieder schlecht fühlst: Mit hoher Wahrscheinlichkeit erwartet dein Umfeld von dir, solche Signale zu senden. 

Vielleicht empfindest du diese Erwartungen selbst als widersprüchlich. Einerseits sollst du eine verlässliche, authentische Bindungsperson sein – andererseits ausschließlich gut von Schule sprechen und deine eigenen Erfahrungen raushalten. 

Das ist schwer zusammenzubringen. Vor allem, wenn du selbst schlechte Schulerfahrungen hast und dein Kind schützen möchtest. 

Was kannst du also tun? 

Statt dich selbst zu ignorieren oder deinem Kind etwas vorzuspielen, kannst du dich an drei einfachen Prinzipien orientieren:

1. Beziehung first.

Dein Kind und du – ihr beide habt das Recht auf eine sichere, vertrauensvolle Verbundenheit miteinander. Und dazu gehört Ehrlichkeit

Das heißt nicht, dass du deinem Kind schulische Horrorszenarien ausmalen sollst. Und wenn beim Gedanken an Schule sehr viel Schmerz in dir spürbar wird, dann sprich darüber lieber mit vertrauten erwachsenen Menschen. Komm auch gerne in mein Eltern-Mentoring, wo es Raum und Wertschätzung für deine persönlichen Schulerfahrungen gibt. Dein Kind kann und sollte diese Art von Begleitung nicht übernehmen.

Aber du musst deinem Kind nicht erzählen, dass du Schule für eine großartige Erfindung und den besten aller Orte hältst. Wenn dein Sohn oder deine Tochter nach deinen Schulerfahrungen fragt und diese Erfahrungen unangenehm waren – dann darfst du das sagen. Für eure Beziehung ist es definitiv besser, wenn das, was du sagst, zu dem passt, was du fühlst. 

Und sorry an ein Schulsystem, das gerne von dir gelobt werden möchte: Eure familiären Beziehungen gehen vor. Sie sind das, was wirklich zählt und deinem Kind echten Halt gibt. 

2. Neugier statt schönreden. 

Wenn du befürchtest, dass deine Erfahrungen und Sorgen deinem Kind den Schulstart erschweren – dann gibt es gute Möglichkeiten, beides voneinander zu trennen. Zum Beispiel so:

„Ich war in der Schule nicht immer glücklich und bin ein bisschen aufgeregt, wie es für dich wird. Aber ich kenne auch Leute, die schöne Dinge erlebt haben. Ich bin gespannt, was du von dort erzählst!“

So musst du dein Erleben und deine Unruhe nicht verstecken oder leugnen – und lässt gleichzeitig Raum für neue Erfahrungen. 

Wenn die dann schön sind: prima! Wenn nicht, dann liegt das mit hoher Wahrscheinlichkeit an dem Umfeld, das dein Kind in der Schule vorfindet – und nicht an dir! (Auch, wenn die anderen dir das gerne erzählen.)

3. Vergiss den Anspruch, es perfekt zu machen.

Was von Eltern im Alltag – und rund um den Schulbesuch – erwartet wird, ist von Normalsterblichen einfach nicht erfüllbar. 

Wir sollen ständig da sein, unterstützen, motivieren, alles im Blick behalten – aber bitte nicht einmischen oder gar klammern! Was auch immer in der Schule „schiefläuft“ – die Gründe werden grundsätzlich gern bei der Mutter gesucht. 

Bei all der Belastung, die sicher auch Lehrer*innen tragen, und die ich auf keinen Fall kleinreden will – haben sie doch einen entscheidenden Vorteil: Sie können gehen. Den Job wechseln, eine Auszeit nehmen, was auch immer. 

Eltern und Kinder nicht. Familien werden schlicht nicht gefragt, ob sie am Schulsystem teilnehmen möchten. 

Ich habe inzwischen genug Mütter begleitet, um zu wissen: So viele von ihnen leiden unter Problemen, die sie weder verursacht haben – noch lösen können. Und trotzdem fühlen sie sich wahnsinnig schuldig dafür.

Es macht mich wütend, wie effektiv gesellschaftliche Strukturen dafür sorgen, dass Mütter sich beharrlich selbst verurteilen – für Dinge, die sie gar nicht „angerichtet“ haben.

Was das für dich bedeutet:

Es geht mir nicht darum, dass du auf „die eine richtige Art“ mit deinem Kind über Schule sprichst. Die gibt es sowieso nicht. 

Es geht darum, dass der Schulalltag für euch beide so wenig belastend wie möglich wird – unter Voraussetzungen, die ihr euch zum Großteil nicht ausgesucht habt. Dass ihr dabei ihr selbst bleiben könnt und euch miteinander wohl fühlt. Alles andere ist Nebensache. 

Und falls du dich fragst, wie ich das im Alltag mache: Wir haben einen anderen Weg gewählt. 

Unsere Kinder müssen nicht zur Schule gehen. Wir leben in Irland, wo Home Education legal und gesellschaftlich akzeptiert ist.

Sie besuchen Musikgruppen, Sportvereine, kulturelle und naturwissenschaftliche Workshops, haben enge Freundschaften – mit Schulkindern und Freilerner*innen – und lernen in einem Tempo, das zu ihnen passt. Es ist nicht perfekt. Aber für uns ist es momentan der beste Weg.

Trotzdem höre ich aus Deutschland immer wieder: „Klar wollen deine Kinder nicht zur Schule – du redest sie ihnen ja schlecht.“

Und natürlich beschäftigt mich das. So sehr, dass ich unsere Söhne regelmäßig frage, ob sie Schule nicht doch mal wieder ausprobieren wollen.

Sie sagen jedes Mal: Nein, danke. Nicht, weil ich den ganzen Tag über Schule wettere. (Ehrlich nicht – das spare ich mir für den Blog auf!) Sondern weil sie aus all den Erfahrungen, die sie mit unterschiedlichsten Menschen machen, keinen einzigen überzeugenden Grund für Schulbesuch finden. Das stärkste Gegenargument sind die erleichterten Seufzer ihrer beschulten Freund*innen, wenn die Ferien beginnen.

Und ja: Natürlich beeinflussen auch wir Eltern unsere Kinder auf diesem Weg. Alle Eltern tun das.

Wir geben ihnen Werte mit, Sichtweisen, Umgangsformen, Haltungen. Das ist nicht vermeidbar – das ist Beziehung.

In unserer Gesellschaft wird es für Eltern allerdings schwierig, wenn sie Werte leben wollen, die nicht zum aktuellen Bildungs- und Wirtschaftsnarrativ passen – etwa wenn ihnen Beziehung und Lebensfreude wichtiger sind als Leistung und Konkurrenz.

Damit du mich an diesem Punkt nicht falsch verstehst: Mir geht es niemals um einen Rückzug aus der Gesellschaft oder eine grundsätzliche „Abkehr vom System“. Und schon gar nicht um wilde Theorien über einen „bösen Staat“.

Natürlich ist es wichtig, dass junge Menschen in einer vielfältigen Umwelt aufwachsen und unterschiedliche Perspektiven auf die Welt kennenlernen (nicht nur die ihrer Eltern). 

Aber viele Menschen glauben, dass sie das nur in der Schule bekommen – und das verstehe ich. Irgendwie zumindest, aus meiner eigenen Prägung heraus.

Doch wenn ich genau hinsehe, stelle ich fest: So vielfältig ist unser Bildungssystem derzeit nicht. Vielmehr dominieren ziemlich einseitige Grundwerte: Leistung, Wettbewerb und Disziplin. (Über das Thema Gemeinschaft an Schulen habe ich an anderer Stelle schon viel gesprochen.)

Und wenn du an diesen Idealen zweifelst und dir etwas anderes wünschst, dann macht dich das nicht zu einer schlechten Mutter oder einem schlechten Vater. 

Sehr wahrscheinlich bist du ein Mensch, der versucht, mit seinen Liebsten aufrichtig zu leben – in einem Bildungssystem, das oft nicht aufrichtig ist.

Und vielleicht brauchst du niemanden, der dir sagt, was du tun sollst – sondern jemanden, der dir hilft, bei dir zu bleiben, während du es herausfindest.  

Einen Weg zu finden, der zu euch passt. 

Ob mit Schule oder ohne. Mit Bauchweh oder mit Zuversicht. Mit dem Mut, ehrlich zu sein – und der Sicherheit, dass ihr dabei in Verbindung bleibt.

Genau dafür bin ich da. 

👉 Hier findest du alle Infos zu meinem Mentoring-Angebot


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