Inhalt

  1. Was ist Freilernen eigentlich?
  2. Sind Freilerner nicht alle ein bisschen komisch?
  3. Müssen Eltern perfekte Voraussetzungen für’s Freilernen bieten?
  4. Ich will, dass schulfreie Bildung normal wird.

Familienleben ohne Schulstress – viele Eltern träumen davon. Vor allem, wenn sie ihr Kind in der Schule leiden sehen und es trotzdem täglich dazu überreden müssen. Wenn du auch zu diesen Eltern gehörst und begonnen hast, das Internet zu befragen, dann stößt du schnell auf Alternativen zu schulischer Bildung. Allen voran dem Begriff Freilernen. Das ist zwar in Deutschland nicht legal, wird aber immer bekannter. Inzwischen finden viele Familien Wege, es (innerhalb oder außerhalb Deutschlands) umzusetzen. 

Aber passt das überhaupt zu euch? Ist das nicht eine dubiose Idee von komischen Leuten, die absurden Ideologien anhängen? Oder – falls das nicht deine Sorge ist – musst du dann nicht zumindest sicher sein, dass du deinem Kind die perfekte Lernumgebung bereit stellen kannst, bevor ihr schulfreie Wege einschlagt? 

Wenn das deine Fragen sind – hier meine Gedanken für dich:

1. Was ist Freilernen eigentlich?

Um ehrlich zu sein: Diese Frage stelle ich mir selbst immer wieder. Denn schulfreie Bildung ist kein starres Konzept. Viel eher ist es ein Weg, den jede Familie auf ihre ganz eigene Art geht. 

Vielleicht kennst du die Bezeichnung Unschooling, die in englischsprachigen Ländern benutzt wird und dem deutschen Freilernen am nächsten kommt. Sie geht zurück auf den amerikanischen Autoren und Lehrer John Holt und wird in Abgrenzung zum Homeschooling benutzt, bei dem Kinder zuhause und nach Lehrplan unterrichtet werden.

Beim Unschooling gibt es dagegen weder Unterricht noch Lehrplan. Die jungen Menschen lernen ausschließlich selbstbestimmt, geleitet von ihren Interessen, unterstützt von den Eltern und anderen Menschen, die in bestimmten Bereichen Erfahrung und Wissen vermitteln können.

Soweit die Theorie. 

Die meisten schulfreien Familien gehen allerdings einen Mittelweg zwischen Homeschooling und Unschooling. Wir auch. Und obwohl ich uns eher zu den Unschoolern zähle, spreche ich in der irischen Umgebung oft von Homeschooling. Einfach deshalb, weil die Leute sich darunter mehr vorstellen können. 

Letztendlich ist aber egal, ob wir es nun Freilernen, Unschooling, Homeschooling, Worldschooling, Travelschooling oder selbstbestimmte Bildung nennen:

Für mich ist es in erster Linie Leben. Und zwar ein Leben, in dem Schulbesuch nicht zwangsläufig vorkommen muss. 

Wichtig zu verstehen ist, dass Lernen immer und überall passiert. Unser Gehirn kann nicht aufhören zu lernen, genauso wie wir nicht aufhören können zu atmen. Menschen lernen beim Backen, Musik Machen, Reisen oder Tiere Pflegen. Und grundsätzlich am effektivsten, freudvollsten und nachhaltigsten, wenn sie spielen

Ein alltägliches Beispiel: Unsere Kinder haben vor kurzem einen Hamster bekommen. Vorher hatten sie wochenlang intensiv recherchiert, welche Umgebung und Nahrung er braucht und wie sie ihm die Eingewöhnung erleichtern konnten. Sie mischen sein Futter mit gesammelten Kräutern, basteln ausgeklügelte Spielzeuge aus Eisstielen und Papprollen und warten gemeinsam geduldig darauf, dass der kleine Mitbewohner wach wird und ihnen neugierig auf die Hand krabbelt. Begleitet wird das Ganze von einem selbst geschriebenen Hamster-Tagebuch. 

Die Lernerfahrungen strecken sich über viele Bereiche: Angefangen bei Lese- Schreib- und Recherchefähigkeiten über Zoologie bis zu sozialen Kompetenzen wie Geduld, Mitgefühl, gemeinsamen Zielsetzungen und Verantwortungsbewusstsein.

Viel wichtiger ist aber die intensive und nachhaltige Freude, die den ganzen Prozess antreibt und begleitet. Sie erfüllt nicht nur die Augen und Herzen der Kinder, sondern unser ganzes Familienleben. Wenn ihr auch ein Haustier habt, weißt du, wovon ich spreche. 

Es ist kein Lernen für „irgendwann später“, es bereichert unser Leben hier und jetzt. Und weil die Kinder nicht den größten Teil des Tages mit Schule und Hausaufgaben verbringen müssen, haben sie Raum und Zeit, sich ganz in dieses Projekt zu vertiefen und die Freude und Erfüllung darin voll auszukosten.

Das reicht dir noch nicht?

Verstehe ich. Ich wollte auch mehr darüber wissen, wie das mit dem außerschulischen Lernen funktioniert. Dafür empfehle ich dir z.B.:

  • Alan Thomas und Harriet Pattison: Informelles Lernen. Wie Kinder zuhause lernen
  • Peter Gray: Befreit lernen. Wie Lernen in Freiheit spielend gelingt
  • John Holt: How Children Learn
  • Bücher und Interviews von und mit André Stern

Eine Frage der Werte  

Abgesehen davon, dass Schule zum Lernen nicht unbedingt notwendig ist, bin ich davon überzeugt, dass kein Mensch – egal welchen Alters – über viele Jahre täglich gegen seinen Willen an einem Ort festgehalten werden sollte, um dort unter Zwang (fremd)bestimmte Inhalte zu lernen. 

Denn erstens hat Lernen unter Zwang extrem ungesunde Auswirkungen auf unser restliches Leben (und unsere Gesellschaft). Und zweitens widerspricht es grundlegend meiner Vorstellung von Menschenwürde

Als in der Klasse meines Sohnes Kinderrechte und das Recht auf Bildung behandelt wurden, fragte er mich eines Nachmittags: „Warum sagen die eigentlich ‚Wir dürfen zur Schule gehen‘ – aber in echt MÜSSEN wir zur Schule gehen?“ 

Damit hat er es auf den Punkt gebracht: Aus dem Recht auf Bildung (die für viele Menschen außerhalb von Schule deutlich besser gelingt) wurde eine Pflicht zum Schulbesuch. Das immer wiederholte „Sei dankbar und freu dich, denn du darfst zur Schule gehen“ ist in meinen Augen eine gemeine und manipulative Lüge. Viele Kinder und Jugendliche empfinden Schule als Gefängnis – und wenn wir wirklich ehrlich mit uns sind, wissen wir, dass sie sich das nicht ausdenken. 

Andersherum bedeutet Freilernen für mich nicht, dass Schule verboten wäre. Im Gegenteil, ich wünsche mir eine Menge Orte auf dieser Welt, in denen es Zugang zu vielfältigen Bildungsmöglichkeiten gibt. Und wenn ein junger Mensch gerne eine „klassische“ Schule besuchen möchte (ob vorübergehend oder dauerhaft), gehört auch das in meinen Augen zu einem selbstbestimmten Bildungsweg. 

2.  Sind Freilerner nicht alle ein bisschen komisch? 

Das ist eine spannende Frage. Angefangen bei dem, was wir unter „komisch“ und „normal“ verstehen. Aber – das überrascht dich vielleicht – ich verstehe den Impuls, Freilernen für weltfremd oder sogar gefährlich zu halten. Denn:

Es ist einfach ungewohnt. 

Die allermeisten von uns haben eine klassische Schullaufbahn durchlebt. Unser (insbesondere deutsches) Weltbild ist seit ein paar Generationen zutiefst von dem Glauben geprägt, dass „Schule einfach sein muss“. 

Dass Menschen 300.000 Jahre lang ohne Schule klar kamen, interessiert uns dabei kaum. Wir kennen schließlich nur Leute, die zur Schule gehen oder gegangen sind und können uns kaum ein Bild davon machen, wie es anders wäre. Im deutschsprachigen Raum existieren auch keine belastbaren Studienergebnisse zur Entwicklung von unbeschulten Kindern – weil schlicht die Daten fehlen. 

Woher sollen wir also wissen, wie junge Menschen sich ohne Schule entwickeln, wenn alle zur Schule gehen? 

Ich kann dazu nur sagen: Meine Vorstellung von „normalen“ Verhaltensweisen, Haltungen und sozialen Dynamiken unter Kindern hat sich grundlegend geändert, seit ich immer mehr Familien kenne, die ohne Schule leben. 

Der Satz „Kinder können brutal sein“ trifft nach meiner Erfahrung nur mit der Einschränkung zu: …wenn wir sie in ein Umfeld zwingen, das ihre Grundbedürfnisse dauerhaft ignoriert.

Wie viel Schule mit der Entstehung von Mobbing und Gewalt zu tun hat und wie mitfühlend und co-kreativ junge Menschen von Natur aus sind, beschreibe ich in meinem Artikel Ein Ozean voll Glück.

Es gibt aber auch Strömungen innerhalb der Freilern-Szene, deren Haltung und Werte ich absolut nicht teile. 

Dieser Punkt ist mir wichtig – auch wenn ich wünschte, es wäre anders: Nicht alle Menschen, die sich als Freilerner bezeichnen, haben die gleiche Motivation oder teilen gemeinsame Grundwerte. Ich habe mich nicht detailliert damit befasst, weiß aber von rechtsesoterischen Strömungen, die sich den Freilern-Begriff zu eigen gemacht – und offensichtlich umgedeutet – haben. Leider bekommen diese Gruppen überproportional viel Aufmerksamkeit in den Medien. 

Doch auch persönlich bin ich hin und wieder Formen von generalisierter Systemkritik und Hassrede begegnet, die mich phasenweise daran zweifeln ließen, ob dieses Schulfrei-Ding wirklich so eine tolle Idee ist. Manchmal vermeide ich den Begriff Freilernen sogar bewusst, weil ich nicht mit solchen Haltungen in Zusammenhang gebracht werden will.

Um das noch einmal klar zu machen: Für uns und viele andere hat schulfreies Leben keinesfalls zum Ziel, unsere Kinder der Gesellschaft oder der freiheitlich-demokratischen Grundordnung zu entziehen. Im Gegenteil: Es ermöglicht ihnen auf verschiedenen Ebenen MEHR gesellschaftliche Teilhabe.

Wie das funktioniert, beschreibe ich in meinem Artikel Alle aussteigen. Dort erkläre ich auch, warum ich glaube, dass gerade in Deutschland einige der offen bekennenden Freilerner*innen einen Hang zur eher hassgetriebenen Systemkritik haben:

Menschen wie wir sollten äußern können, dass sie sich unwohl fühlen – ja, dass ihnen das gewaltvolle Durchsetzen der Schulpflicht die Luft zum Atmen nimmt – ohne dabei für durchgeknallte Spinner oder radikale Systemaussteiger gehalten zu werden. Denn je stärker der Druck durch solche Zuschreibungen ist, desto größer wird das Bedürfnis, tatsächlich in die Waldhütte zu gehen und „das System“ als Ganzes abzulehnen. Gäbe es legale Möglichkeiten für andere Bildungswege und Familienalltage, wäre da ein Platz in dieser Gesellschaft – auch für die Menschen, die weniger privilegiert sind als wir – , dann könnten alle mehr genießen, ein Teil davon zu sein. Davon bin ich überzeugt.

In Irland, wo Home Education ein legaler und weitgehend akzeptierter Teil der Gesellschaft ist, erlebe ich die schulfreie Szene als deutlich vielfältiger, entspannter, sozial eingebundener und ja – weniger radikal eben. 

Solltest du trotz unglücklicher Schulkinder also lieber die Finger vom Freilernen lassen und dich eurem Schicksal ergeben?

Nein. 

Beziehungsweise – selbstverständlich steht dir das frei und du hättest mein vollstes Verständnis dafür. Denn es kann sehr anstrengend sein, durch den Sturm aus kritischen Vorhaltungen des alten Umfelds, querschießenden Theorien des neuen Umfelds und gleichzeitigen inneren Fragezeichen zu navigieren, ohne den Kompass zu verlieren. Außerdem ist die gesetzliche Lage in Deutschland nunmal denkbar ungeeignet, ein entspanntes schulfreies Leben zu führen. 

Aber wenn du bis hierher gelesen hast, dann hast du vermutlich einen ähnlichen Kompass wie ich. Und ich kann dir aus ganz persönlicher Erfahrung sagen: Schulfreies Leben ist weder unmöglich noch weltfremd. Es ist einfach nur Leben ohne Schule. 

Und das könnt ihr als Familie genau so gestalten, wie es für euch passt. Vegan oder nicht vegan. Mit oder ohne Sportverein. Mit dem Van unterwegs in der Welt, in der Großstadtwohnung oder auf dem Selbstversorgerhof mit Schafen und Hühnern. Und sogar mit Schule, falls euch irgendwann wieder danach ist. 

3. Müssen Eltern perfekte Voraussetzungen für’s Freilernen bieten?

Um diese Frage zu beantworten, hole ich ein bisschen weiter aus – und zwar bei Elternschaft im Allgemeinen:

Als ich Mutter wurde, hatte ich keine Ahnung. Mein Wissen über Elternschaft war eine Mischung aus vagen Vorstellungen und vollkommen unrealistischen Erwartungen – an uns Eltern und unser Kind. 

So kam es, dass ich wenige Tage nach der Geburt, einsam und hilflos, eine Menge verzweifelte Fragen ins Internet schickte. Glücklicherweise fand ich auf diese Art Antworten und Menschen, die mir Druck nahmen und Zuversicht schenkten. Es war ok, dass unser Kind nur beim Stillen und Tragen zufrieden war. Es war ok, ihn bei uns schlafen zu lassen. Es war ok, dass er keinen Brei mochte und stattdessen direkt Nudeln probierte. 

Die Bewegung der bindungs- oder bedürfnisorientierten Elternschaft war damals noch ganz zart und jung. Ich bin ihr sehr dankbar, dass sie meinen Mann und mich schon zu Beginn unserer Elternschaft von den gruseligsten Erziehungsmythen befreite und uns damit eine Menge unnötiger Kämpfe ersparte

Bindungsorientierte Elternschaft ist ein Segen – mit Stolperfallen.

Das Wissen, das wir heute haben, bewahrt viele Familien davor, in gewaltvolle Erziehungsmuster zu rutschen und bietet auf allen möglichen Ebenen Raum für Heilung und Wachstum. 

Wovon es uns aber nicht unbedingt befreit, ist unser schuld- und schambesetztes Bild von Mutterschaft – und die ständige Sorge darum, unseren Kindern zu schaden.

Wo Mütter früher „nicht konsequent genug“ waren, gelten sie heute als nicht geduldig genug, nicht unterstützend genug, nicht Raum gebend genug – einfach nie gut genug. Heute weiß ich, dass ich als einzelner Mensch (oder auch als Elternpaar) keine Chance habe, meinen Kindern all das zu geben, was sie natürlicherweise brauchen. Auch, wenn das ständig von mir erwartet wird. Und im Großen und Ganzen habe ich meinen Frieden damit gemacht. 

Doch noch vor wenigen Jahren brachte mich das Gefühl, als Mutter permanent zu versagen, an den Rand der Verzweiflung. Und nach meinen Ausbildungen zur Eltern- und Stillbegleiterin begriff ich: Mit diesem Gefühl war ich nicht allein. Ich habe so viele feinfühlige, wunderbare, unglaublich bemühte Menschen in ähnlich verzweifelten Zuständen begleitet, dass ich hier noch einmal fett hinschreiben möchte: 

Elternschaft an sich ist eine Aufgabe, die du niemals perfekt erfüllen kannst. Zumindest nicht in der Welt, die wir gerade erleben.

…und was hat das jetzt mit schulfreier Bildung zu tun? 

Ich erinnere mich genau an einen Abend, an dem mein Mann und ich neben unserem schlafenden Sohn saßen und feststellten: Wir werden es nicht übers Herz bringen, dieses Kind jahrelang gegen seinen Willen in die Schule zu zwingen. 

Das war keine Frage, kein Zweifel – es war eine Gewissheit. Und die entsprang dem Weg der bindungsorientierten Elternschaft, den wir seit seiner Geburt eingeschlagen hatten. Alles andere hätte sich angefühlt wie eine 180-Grad-Wendung auf diesem Weg. Wie ein tiefer Verrat unserer eigenen Werte. Wir konnten gar nicht anders. 

Heißt das, dass wir wussten, wie es richtig geht? Oder gar perfekt? Nein, ganz sicher nicht. Zu diesem Zeitpunkt hatten wir nichtmal irgendeinen Plan. 

Wie bei allen anderen Themen der Elternschaft musste ich auch hier lernen, mir zu verzeihen, dass ich Fehler mache. 

Und das ist leichter gesagt als getan in einem Land, in dem schulfreie Bildung reflexhaft mit Kindeswohlgefährdung gleichgesetzt wird. Ein Wort, das Eltern Sorgenfalten und Schweißperlen auf die Stirn treibt. 

Der Schutz junger Menschen vor Gewalt und Vernachlässigung und die gesellschaftliche Verantwortung dafür sind ohne Frage wichtig. Punkt. Gleichzeitig ist niemandem geholfen, wenn wir Eltern verängstigen und beschämen. Schon gar nicht diejenigen, die versuchen, WENIGER Gewalt anzuwenden.

Da stehst du mit deinem Wunsch, eine friedvolle, gesunde Beziehung zu deinen Kindern aufzubauen und zu halten. Ihnen nicht einzureden, „sie müssten da durch“. Sie nicht mit Belohnung und Bestrafung zu manipulieren. Ihnen nicht vorzuspielen, woran du selbst nicht glaubst. Und gleichzeitig musst du all das tun, damit dir nicht das Vertrauen in deine Elternschaft entzogen wird. 

Sich in dieser Situation für’s Freilernen zu entscheiden, bringt unglaublichen Perfektionsdruck mit sich. Wenn alle anderen daran zweifeln und sogar der Staat nicht für möglich hält, dass wir für die Bildung unserer Kinder sorgen können – dann müssen wir es zu 1000 Prozent beweisen. Oder? 

Vergiss es. Atme. Du wirst es nicht perfekt machen. Und das macht nichts.

Ich möchte dir stattdessen eine Änderung des Blickwinkels vorschlagen: 

Wenn Menschen mich fragen, ob ich absolut sicher sei, dass Freilernen meinen Kindern nicht schadet, ist meine Antwort: „Nein, bin ich nicht. Bist du denn sicher, dass erzwungener Schulbesuch ihnen nicht schadet? Läuft in Schulen momentan auch nur annähernd irgendwas perfekt?“ (Wenn der Staat junge Menschen über Jahre in die Schule zwingt – wer ist dann zuerst an der Reihe mit Beweisführung von Unschädlichkeit und Nutzen?)

Aber ich bin gar nicht so interessiert daran, hier zwei Lager aufzumachen. Denn eines ist sicher: Fast alle jungen Menschen – ob mit oder Schule – nehmen auf die eine oder andere Art Schaden. Und zwar, weil wir ihnen keine artgerechte Umgebung zur Verfügung stellen können. Das klingt pessimistisch, aber ich glaube, es ist notwendig, diese Tatsache anzuerkennen und unsere Möglichkeiten realistisch einzuschätzen. Selbst wenn wir als Eltern versuchen, alles noch etwas friedvoller und bedürfnisorientierter zu machen: 

Wir leben nicht in der Jäger- und Sammlergesellschaft, auf die unsere Kinder vorbereitet sind. 

Von Müttern wird erwartet, dieses Unheil gänzlich aufzufangen und abzufedern. Ich spüre und sehe das jeden Tag. Sogar in meinen Lieblings-Podcasts. Wenn es beispielsweise um Traumatisierung in der Kindheit geht: Immer wird davon gesprochen, dass die Mutter es verbockt hat. Selten der Vater. Und noch seltener die Schule.

Aber abgesehen davon, dass es wahnsinnig unfair ist, Müttern die Aufgabe zuzuschieben, all den Mist zu heilen, den wir als moderne Leistungsgesellschaft fabriziert haben – für eine einzelne Person ist es schlicht unmöglich. Menschenkinder wachsen momentan nicht wirklich artgerecht auf und selbst die geduldigsten, emotional stabilsten, organisiertesten, however tollsten Eltern können alleine daran nicht viel ändern.  

Alles, was wir Eltern tun können, ist, den Schaden so gering wie möglich zu halten. „So gering wie möglich“ hängt dabei stark von der Situation ab, in der wir leben. Und den Ressourcen, die uns zur Verfügung stehen – oder eben auch nicht. 

Aus all dem, was ich über unperfekte Elternschaft geschrieben habe, fasse ich zusammen:

Beim Freilernen geht es nicht um schwarz oder weiß. Es geht darum, eine Lösung zu finden, die sich für alle Beteiligten am besten (oder am wenigsten scheiße) anfühlt. Eine Lösung, bei der ihr eure Werte möglichst wenig verraten müsst. Eine Lösung, die flexibel ist und euch Luft zum Atmen lässt. 

Für uns ist diese Lösung momentan schulfreies Leben in Irland. Für andere kann es die Langzeitreise sein. Und für wieder andere ein Leben mit Schule – wo auch immer auf der Welt. 

Wenn du überlegst, ob und wie Freilernen für deine Familie funktioniert, und mit mir zusammen deine persönliche Situation genauer anschauen möchtest – mit den Ressourcen und Belastungen, die momentan da sind – dann trag dich für meinen Newsletter ein. Ich verschicke regelmäßig Gesprächsangebote.

4. Ich will, dass schulfreie Bildung normal wird. 

Ich habe einen Traum. Ich möchte, dass Schulen zu Bildungsorten werden, die Menschen stärken, bereichern und inspirieren – und nicht unter Druck setzen. Freiwilligkeit ist dabei für mich ein essenzieller Bestandteil. Denn mal ehrlich: Wann hat dich das letzte Mal etwas mit echter Freude erfüllt, zu dem du dauerhaft gezwungen wirst?

Und genauso möchte ich, dass schulfreie Bildung zum alltäglichen Bestandteil eines bunten gesellschaftlichen Lebens wird. Kein Muss, keine Ideologie – sondern etwas, das Familien ohne Druck ausprobieren können. Gerne mit wertschätzender Begleitung durch die Behörden. Wie genau das in Irland umgesetzt wird, beschreibe ich in einem meiner nächsten Artikel.

Ich möchte Menschen die Angst vor schulfreier Bildung nehmen. Ihr müsst euch dafür keinen unheimlichen Gruppen anschließen oder irgendeinen menschenfeindlichen Bullshit glauben. Ihr müsst auch nichts perfekt machen. Ihr seid es wert, ein Leben zu leben, das euch und eure Familie so glücklich wie möglich macht. 

Wenn genug Menschen das verstehen, dann kann Freilernen zu einer Variante des Familienalltags werden, die weder versteckt noch idealisiert werden muss. Und in meinen Augen passt das deutlich besser in die freiheitlich-demokratische Grundordnung als der Zwang zu einem ganz bestimmten Bildungsweg, der Millionen Familien tagtäglich in enormen Stress versetzt.

Es liegt in unseren Händen.

Wenn du dich auf deinem Weg von mir begleiten lassen möchtest, kannst du verschiedenes tun – je nachdem, wie viel und wie enge Begleitung du dir wünschst:

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